Alt.Gewalt

Tabuthema Gewalt gegen Ältere sichtbar machen

Noch immer wollen viele Menschen nicht wahrhaben, dass eine erhebliche Zahl unter den älteren Menschen durch Gewalt körperlich, seelisch oder wirtschaftlich beeinträchtigt, verletzt, gekränkt und dauerhaft geschädigt wird.

 

Grundsätzlich gilt es zu unterscheiden zwischen Gewalt durch aktives Tun (körperliche und psychische Misshandlung, finanzielle Ausbeutung, Einschränkung des freien Willens) und der Vernachlässigung durch Unterlassung (z.B. Mangelernährung, Alleinlassen).

Eine eigene Frage ist die strukturelle Gewalt, d.h. wenn Menschen in einer Situation sind, in der sie in einer schlechten Lebenslage verharren müssen, obwohl es an sich Verbesserungsmöglichkeiten gäbe. Beispiele sind: nicht alternsgerecht ausgestattete Wohnungen oder einengende Vorschriften, denen man in manchen Heimen (z.B. streng geregelte Schlafenszeiten) unterworfen ist.

Es muss weiters zwischen den sozialen Situationen unterschieden werden. Gewalt kann überall dort vorkommen, wo alte Menschen leben: Zu Hause, im öffentlichen Bereich, in Alten- und Pflegeheimen, aber auch in Tageseinrichtungen oder in Krankenhäusern. Sie geschieht meist im Verborgenen, trifft nicht nur pflegebedürftige Menschen und tritt in allen Bevölkerungsschichten auf. Charakteristisch für das Feld des Altenmissbrauchs ist das Problem der fließenden Grenzen. Auch sind Schädigungen oft schwer nachweisbar, weil Symptome von Misshandlung nicht immer eindeutig von Symptomen des Alterns unterschieden werden können. 

Hochaltrige Menschen sind häufig körperlich gebrechlich oder schlecht orientiert. Sie können sich gegen Einschüchterungen, Quälereien oder körperliche Attacken im Allgemeinen nur ungenügend wehren.

Gewalt entsteht nicht zufällig und selten spontan. 


Es gibt dafür auch keine einfachen Ursachen-Wirkungs-Erklärungen. Es sind vielfältige Bedingungen dafür ausschlaggebend, dass sich Situationen ergeben, denen mit Gewalt begegnet wird. 

 

Gewalt ist ein gesellschaftliches Problem


Das gesellschaftliche Klima und die geltenden Wertvorstellungen sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass Gewalt an älteren Menschen entsteht. Negative Wahrnehmungen, abwertende Einstellungen oder der erzwungene Ausschluss aus dem sozialen Leben ermöglichen gesellschaftliche Entwicklungen, die alte Menschen benachteiligen und den Nährboden dafür bilden, dass respektloses Verhalten, Demütigungen und Übergriffe toleriert werden. 


Im Nahraum der Familie können langjährige konflikthafte Beziehungen, finanzielle Abhängigkeiten oder der moralische Druck zur Übernahme der Pflege zu Hause die Entwicklung von Gewalthandlungen einleiten.

In Betreuungseinrichtungen und mobilen Diensten sind die organisatorischen Regeln mit dem Wunsch nach Individualität und Zuwendung oft unvereinbar. Weiters stellen der Zeitdruck sowie die unerfüllbar scheinenden Bedürfnisse und Ansprüche von manchen alten Menschen und ihren Angehörigen Gewalt begünstigende Stressfaktoren für das Betreuungspersonal dar.

Zu wenige oder mangelnde Informationen über unterstützende Angebote und fehlende Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch mit Vertrauenspersonen lassen Betreuende unter Druck geraten. Insofern werden diese auch zu Opfern der herrschenden Verhältnisse.

Das Problem der Gewalt kann von den betroffenen Familien und von den Institutionen nicht alleine gelöst werden. Schon die Befürchtung, dass Überforderung zu Gewaltanwendung führen könnte, sollte Anlass geben, Hilfe und Unterstützung bei sozialen Diensten, Beratungsstellen und Gesprächsgruppen zu suchen.